Rechtsanspruch dringend verankern / wichtiger Beitrag zu mehr Effizienz und Prävention / Ärztetag und Psychotherapeutentag erneuern entsprechende Beschlüsse
Während das Thema Sprachmittlung im Gesundheitswesen bei der Vorgänger-Regierung immerhin noch Eingang in deren Koalitionsvertrag gefunden hatte, jedoch in der letzten Legislatur nicht umgesetzt wurde, wird mehrsprachige Kommunikation im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung an keiner Stelle explizit angesprochen. Insgesamt sind in den knapp 150 Seiten Text kaum Anstrengungen für eine bessere Integration von Menschen, die (noch) nicht oder nicht mehr ausreichend Deutsch sprechen, erkennbar. Dies wurde beispielsweise auch bei einem Fachtag in Mainz am 3. Juni deutlich, bei dem neben anderen Akteuren auch viele Integrationsministerien der Länder auf Arbeitsebene anwesend waren.
Spätestens seit 2010 die damalige Staatssekretärin und Integrationsbeauftragte Maria Böhmer „Dolmetscher auf Krankenschein“ forderte, setzt sich der BDÜ für das Thema ein und hat zahlreiche Positionspapiere und Stellungnahmen dazu veröffentlicht. In der vergangenen Legislaturperiode hat der Expertenverband darüber hinaus ein konkretes Modell dazu ausgearbeitet, wobei das Rad nicht neu erfunden werden muss: Mit der Kostenübernahme des Gebärdensprachdolmetschens (GSD) steht eine in der Praxis bewährte Vorgehensweise mit etablierten Prozessen und Voraussetzungen als Blaupause zur Verfügung.
Neue Regierung muss jetzt handeln und Reformen in Angriff nehmen
Um nun auch die neue Regierung auf dieses Modell und vor allem die dringend erforderliche Umsetzung aufmerksam zu machen, hat Elvira Iannone die Gelegenheit bei der Eröffnung des 129. Deutschen Ärztetages (DÄT, 27.–31. Mai) in Leipzig ergriffen und einen ersten Kontakt zur neuen Hausspitze im Bundesgesundheitsministerium hergestellt. Dabei setzt die Politische Geschäftsführerin des BDÜ auf die von der Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) auch in ihrer DÄT-Rede immer wieder betonte Lösungsorientierung und Bereitschaft, im Dialog mit Experten die Erfahrung der Praktiker in die erforderlichen Reformen im Gesundheitswesen einzubeziehen.
Wie sehr – und vor allem wie lange schon – das Thema auch wichtigen Akteuren im Gesundheitswesen unter den Nägeln brennt, zeigen die seit vielen Jahren regelmäßig und auch beim diesjährigen DÄT erneut gefassten Beschlüsse zur rechtlichen Verankerung der qualifizierten Sprachmittlung im Gesundheitswesen (siehe TOP Ic-12 und TOP Ic-73 im Beschlussprotokoll des 129. Deutschen Ärztetages, S. 163/164). Keine zwei Wochen zuvor hatte am 16./17. Mai der 46. Deutsche Psychotherapeutentag eine ähnlich lautende Resolution verabschiedet, ebenfalls in Leipzig.
Qualifizierte Sprachmittlung für ein effizienteres Gesundheitswesen
Wie aus wissenschaftlichen Studien immer wieder hervorgeht, haben Fehlkommunikation und Missverständnisse bei Menschen ohne ausreichende Deutschkenntnisse eine mangelnde Teilnahme an Präventionsprogrammen, verstärktes Aufsuchen von Krankenhäusern und Notaufnahmen, Über- und Unterversorgung, Fehlversorgung und -medikation, Drehtüreffekte und Praxis-Hopping zur Folge. Bei den Fachkräften des Gesundheitswesens führen Sprachbarrieren zu Frustration, Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeit und zusätzlichen Belastungen. Qualifizierte Sprachmittlung leistet also ihren Beitrag zu zwei der meistdiskutierten Themen im Gesundheitswesen: Patientensteuerung sowie mehr und bessere Prävention! Die Kosten für diese versicherungsfremde Leistung müssen – gerade in Zeiten einer mehr als angespannten Situation bei den Krankenkassen – vollständig aus Steuermitteln refinanziert werden.
Der BDÜ fordert auch die Gesundheitsministerien der Länder, die am 11./12. Juni in Weimar zur 98. Gesundheitsministerkonferenz zusammenkommen, auf, dieses auch integrationspolitisch ausschlaggebende Thema auf ihre Tagesordnung zu nehmen.
Weiterführende Informationen:
BDÜ-Modell zur möglichen Umsetzung (Mai 2023)
MDÜ online (09.07.2024): Qualifizierte Sprachmittlung im Gesundheitswesen – wann kommt das Gesetz?