Regierung nimmt neuen Anlauf für Erprobung von voll digitalisierten Zivilverfahren und elektronische Präsenzbeurkundung / Input von Sprachmittlungsexperten unbedingt schon in Entwicklungsphase berücksichtigen / BDÜ-Forderungen zu mehrsprachigen Verfahren bzw. Beurkundungen vor Ort
Der BDÜ hat erneut Stellung zu zwei Gesetzesvorhaben aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) bezogen, nachdem dieses ihn im Rahmen der Verbändebeteiligung dazu eingeladen hatte.
Beide Gesetzentwürfe hatte die Ampel-Regierung in der 20. Legislaturperiode ins parlamentarische Verfahren gebracht, aufgrund der vorgezogenen Neuwahl konnten diese aber nicht mehr rechtzeitig vom Bundestag verabschiedet werden. Die schwarz-rote Koalition will an dem Vorhaben im Rahmen der Digitalisierung der Justiz festhalten und nimmt jetzt einen neuen Anlauf:
Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit (OVErpG) sieht vor, digitale Gerichtsverfahren zu erproben, die eine einfache, nutzerfreundliche und niedrigschwellige Geltendmachung von Ansprüchen vor den Amtsgerichten ermöglichen sollen. Der Entwurf basiert auf den Entwürfen und Positionierungen aus dem – nicht mehr abgeschlossenen – Gesetzgebungsverfahren der vorherigen Legislaturperiode, zu dem der BDÜ auch schon Stellungnahmen abgegeben hatte (siehe BDÜ-Meldung). Konkret soll an 13 Pilotgerichten in neun Bundesländern (BW, BY, BE, BB, HB, HE, HH, NW, RP) in einzelnen Sachgebieten ausprobiert werden, wie Zivilverfahren online geführt werden können. „Ziel ist die nutzerzentrierte, iterative und evidenzbasierte Entwicklung digitaler Dienste und Produkte zur praktischen Erprobung des Online-Verfahrens im Echtbetrieb“, heißt es in dem Anschreiben des BMJV an die Verbände. Begleitet wird das Gesetzgebungsvorhaben durch ein Digitalisierungsprojekt des BMJV und der DigitalService GmbH des Bundes.
In seiner aktuellen Stellungnahme fordert der BDÜ erneut, von Anfang an in den Erprobungsprozess eingebunden zu werden, damit gewährleistet ist, dass die bei mehrsprachig geführten Verfahren unabdingbaren (technischen) Voraussetzungen berücksichtigt und erfüllt werden. Eine Reduzierung der Gerichtsgebühr für Online-Verfahren als Anreiz für die Erprobung der digitalisierten Verfahren lehnt der BDÜ allerdings vehement ab, so wie dies in der vergangenen Legislaturperiode auch schon der Bundesrat getan hat. Aus Sicht des Verbandes steht zu befürchten, dass diese Reduzierung vor dem Hintergrund von § 14 JVEG (Rahmenvereinbarungen im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz) zu Lasten der Dolmetscher und Übersetzer gehen würde.
Mit dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer elektronischen Präsenzbeurkundung verfolgt die Bundesregierung laut Formulierung im aktuellen Koalitionsvertrag das Ziel, digitale Beurkundungsprozesse zu ermöglichen, das gesamte Staatshandeln mit Effizienzsteigerungen und Digitalisierung zu begleiten und so die Digitalisierung der Justiz konsequent fortzuführen und Medienbrüche zu Notaren und Urkundsstellen abzuschaffen.
In seiner Stellungnahme begrüßt der BDÜ das ursprünglich auf einen Vorschlag der Bundesnotarkammer zurückgehende Vorhaben und fordert im Hinblick auf gedolmetschte Präsenzbeurkundungen bzw. auf bestätigte Übersetzungen die Berücksichtigung mehrerer speziell auf die von ihm vertretenen Berufsgruppen bezogener Aspekte: So etwa die Einbindungsmöglichkeit und Kompatibilität der qualifizierten elektronischen Signatur in das bzw. mit dem von der Bundesnotarkammer bereitzustellenden Signatursystem – sowohl in Anwesenheit als auch bei Video-„Zuschaltung“ des Dolmetschers zu dem Beurkundungstermin. Weiter weist der Verband auf die Problematik der im Zuge der Umsetzung des Gerichtsdolmetschergesetzes (GDolmG) von den Bundesländern eingeführten unterschiedlichen Beeidigungsformen – z. B. speziell für Notare – hin sowie darauf, dass Gebärdensprachdolmetscher nach wie vor nicht Teil des GDolmG sind (siehe auch BDÜ-Meldung).
Weiterführende Informationen:
OVErpG
Referentenentwurf des BMJV (13.06.2025)
Stellungnahme des BDÜ zum Referentenentwurf (29.06.2025)
Weitere Informationen des BMJV zum Gesetzesvorhaben
Elektronische Präsenzbeurkundung
Referentenentwurf des BMJV (13.06.2025)