Statusfeststellungsverfahren: Stein im Getriebe des Wirtschaftsmotors

Rechtsunsicherheit lähmt ganze Branchen / Selbstständigenverbände fordern dringend Reform / Entbürokratisierung durch Schnellprüfung und Positivkriterien

Anlässlich ihres gestrigen Parlamentarischen Frühstücks mit Abgeordneten des Bundestags im Jakob-Kaiser-Haus hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) ein Positionspapier zur dringend notwendigen Reform des Statusfeststellungsverfahrens (SFV) veröffentlicht. Darin fordern die BAGSV-Mitglieder, darunter auch der BDÜ, die von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) durchgeführten Verfahren zur „Feststellung des Erwerbsstatus“ (vgl. § 7a SGB IV) wenn schon nicht abzuschaffen, so doch deutlich zu vereinfachen. Die Entscheidung darüber, ob bei einem Auftragsverhältnis eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, wird anhand unklarer, oft willkürlich ausgelegter Kriterien gefällt. Wird auf dieser Grundlage Scheinselbstständigkeit festgestellt, zieht das eine nachträgliche, nicht selten existenzbedrohende Sozialversicherungspflicht nach sich. In Verbindung mit teilweise überraschenden Urteilen des Bundessozialgerichts und deren Interpretation durch die Sozialversicherungsträger sorgt dies für massive Rechtsunsicherheit sowohl bei Auftraggebern als auch bei Auftragnehmern. In der Folge werden Aufträge immer seltener an Einzel-Selbstständige bzw. Kleinstunternehmen vergeben, weil hohe Nachzahlungen befürchtet werden. Es liegt auf der Hand, dass dies die Innovationskraft und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, die zu einem bedeutenden Teil auf dem speziellen Expertenwissen von Selbstständigen fußt, spürbar ausbremst.

Die Kriterien für Selbstständigkeit müssen sich an den Arbeitsrealitäten und -verhältnissen der heutigen Wissensgesellschaft orientieren. Dementsprechend formuliert das BAGSV-Positionspapier eine ganze Reihe von zeitgemäßen und konkreten Anhaltspunkten für eine selbstständige Tätigkeit. Um die Verfahren zu beschleunigen bzw. schon vorab zu klären, ob ein solches überhaupt notwendig ist, sollte zudem im Rahmen einer Schnellprüfung festgestellt werden, ob einige zentrale Positivkriterien – wie ausreichende soziale Absicherung und Vorsorge – erfüllt sind und damit zweifelsfrei Selbstständigkeit vorliegt.

Ende September haben sich auch die Experten für Arbeits- und Sozialrecht des 74. Deutschen Juristentags mit dem Thema SFV befasst und sind mehrheitlich zu dem Schluss gekommen, dass es dringend novelliert werden muss. Die entsprechenden Beschlüsse zum SFV (siehe Kapitel V. „Verfahrensfragen“ Punkte 14. und 15.) wurden an die zuständigen Bundesministerien weitergeleitet. Als Verein, in dem alle juristischen Berufsgruppen vertreten sind, verfolgt der Deutsche Juristentag den Zweck, auf wissenschaftlicher Grundlage die Notwendigkeit von Änderungen und Ergänzungen der deutschen und der europäischen Rechtsordnung zu untersuchen, der Öffentlichkeit Vorschläge zur Fortentwicklung des Rechts vorzulegen und auf Rechtsmissstände hinzuweisen. Sein Wort hat in der juristischen Öffentlichkeit und auch für den Gesetzgeber besonderes Gewicht.

Eine wirksame Reform des Statusfeststellungsverfahrens ist also dringend notwendig. Der berechtigte Schutz vor Ausbeutung darf nicht dazu führen, dass das bewährte Arbeitsmodell vieler freiwillig und gut etablierter Selbstständiger bedroht wird. In Zeiten von demografischem Wandel, auch dadurch bedingtem Fachkräftemangel und vielfach beklagter wirtschaftlicher Stagnation gilt es, Selbstständigkeit von unnötigen bürokratischen Verfahren zu entlasten und sie vielmehr als wichtige Antriebskomponente des Konjunkturmotors zu fördern.

Foto: Parlamentarisches Frühstück der BAGSV, v.l.n.r.: Jörn Freynick (VGSD), Marcus Pohl (isdv) und Andreas Lutz (VGSD)
© Jonas Fartaczek


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