Sinnvolle Nutzung der Technologie: BDÜ und VKD veröffentlichen Positionspapiere zum Einsatz von KI / Möglichkeiten und Risiken / Hoheit über Sprache in Händen von Fachfremden?
Macht Künstliche Intelligenz den Übersetzer- bzw. Dolmetscherberuf überflüssig? Müssen wir in Zukunft keine Fremdsprachen mehr lernen? Was manchen wie die ultimative Lösung für das babylonische Sprachengewirr erscheint, stellt sich sogar für diese auf den zweiten Blick oft als doch nicht so perfekter Traum heraus. Zudem wird in der öffentlichen Diskussion fälschlicherweise immer davon ausgegangen, dass sich der relativ fortgeschrittene Entwicklungsstand beim bzw. in Kombination mit dem Englischen automatisch auf alle anderen Sprachen übertragen lässt – ein Trugschluss. Den Hype um die technologischen Entwicklungen der letzten Zeit nehmen der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) und der Verband der Konferenzdolmetscher (VKD) im BDÜ zum Anlass, in entsprechenden Positionspapieren den Blick für die Möglichkeiten, aber auch die Risiken beim Umgang mit diesen Technologien zu schärfen.
In dem Papier zum KI-Einsatz beim Übersetzen wird auf automatisierte Systeme wie Neuronale Maschinelle Übersetzung (NMÜ) und die Erstellung von Übersetzungen bzw. fremd- oder mehrsprachiger Texte mittels Großer Sprachmodelle (LLMs) und Deep Learning eingegangen. Dabei werden verschiedenste Aspekte wie Datensicherheit, Urheberrecht, Manipulierbarkeit und Diskriminierungsrisiko, Haftungsfragen, Verfügbarkeit und Qualität des entsprechenden Sprachdatenmaterials zum Training der Systeme sowie Transparenz bzw. Nachvollziehbarkeit der Funktionsweise der Systeme näher betrachtet. Umso wichtiger ist folglich, dass qualifizierte Übersetzungsexperten Texte analysieren und vorbereiten, mit Blick auf Situation und Textsorte die geeigneten Arbeitsprozesse und -instrumente auswählen und implementieren sowie maschinelle Roh-Übersetzungen einer fundierten Überprüfung und Überarbeitung unterziehen.
Einige der sowohl für die schriftliche als auch die mündliche Sprachübertragung relevanten Aspekte finden sich auch im Papier zum KI-Einsatz beim Dolmetschen, mit Schwerpunkt auf den Besonderheiten der gesprochenen Sprache: Menschen sprechen nicht immer in klar strukturierten Sätzen, es kommt zu spontanen Wortwechseln, Redundanzen und Versprechern, es sind Emotionen im Spiel oder regionale Färbungen bzw. Dialekt. Außerdem transportieren Stimme und Betonung auch nicht verbalisierte Botschaften, die Akustik ist schwierig usw. Qualifizierte Dolmetscher können hier entsprechend filtern und das Gesagte – bzw. auch das möglicherweise nicht in Worten, sondern per Gestik und Mimik Ausgedrückte – situationsgerecht übertragen. KI stößt bei der Verarbeitung all dieser Ebenen und Elemente hingegen schnell an ihre Grenzen.
Klar ist: Bei so vielschichtigen Vorgängen wie dem Übersetzen oder Dolmetschen kann die Devise nicht „Human in the Loop“ – also punktuelles Einbinden von Menschen in einen ansonsten automatisierten Übersetzungsprozess – lauten, auch wenn die Entwickler entsprechender Systeme (falls sie den Menschen überhaupt noch mitdenken) allzu häufig von dieser Prämisse ausgehen. Die Hoheit über Sprache(n) und deren Übertragung kann aber nicht von „Maschinenexperten“ übernommen werden, sondern gehört in die Hände von Übersetzungs- und Dolmetschexperten. Deren Wissen über die Grundlagen, die Methodik und die Feinheiten der Sprachübertragung muss bei der Entwicklung der Systeme einbezogen werden. Auch sind sie es, die wissen, wie, wann und an welcher Stelle im gesamten Übertragungsprozess die Technologie sinnvoll und abgewogen genutzt werden kann. Somit wäre also die Maschine Teil des vom Menschen – hier: von qualifizierten Übersetzern und Dolmetschern – definierten „Loops“ und nicht umgekehrt!
Mehr zum Thema auch im MDÜ-Online-Beitrag
Übersetzen mit ChatGPT & Co.:
Worauf Sie achten sollten, wenn Sie kein Risiko eingehen wollen
Und als Illustrationsbeispiel für einzelne Sprachen (hier Arabisch)
Eisberg voraus:
Warum sich KI-Übersetzung nach wie vor mit Arabisch so schwer tut