Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz: Regierungsentwurf im Rechtsausschuss

Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags: Trotz Kritik soll an Videokonferenzen festgehalten werden / BDÜ fokussiert in Stellungnahme erneut auf das Übersetzen und Dolmetschen betreffende Aspekte: Elektronischer Rechtsverkehr und Ferndolmetschen

Vorgestern (15. Mai) befasste sich der Rechtsausschuss des Bundestags in einer Anhörung mit dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz. Die vom BDÜ zuvor zum Referentenentwurf eingebrachten Vorschläge (siehe auch BDÜ-Meldung) waren darin bedauerlicherweise nicht berücksichtigt worden.

Verhandlungen per Videokonferenz in der Kritik

In der öffentlichen Anhörung waren insbesondere die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen der Strafprozessordnung (StPO) zur Führung von Revisionshauptverhandlungen im Wege der Videokonferenz umstritten. Erhebliche Bedenken gegen eine regelhafte digitale Teilnahme an den Verhandlungen äußerte beispielsweise Dr. Angelika Allgayer, Richterin am Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Als „Herzstück“ des Strafverfahrens sollten die Verhandlungen weiterhin regelhaft in Präsenz und nur ausnahmsweise digital stattfinden. Auch für Dr. Jana Zapf, Richterin am Oberlandesgericht Celle, die den Deutschen Richterbund vertrat, droht den Verhandlungen durch die Möglichkeit der Videokonferenz eine Schwächung; für die Angeklagten sieht sie dabei keinen Mehrwert. Dr. h.c. Edith Kindermann, Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins e.V., Berlin, schloss sich den geäußerten Bedenken an.

Einer der größten Schwachpunkte dürfte dabei die mangelhafte technische Ausstattung der Gerichte sein: Wie auch schon bei der Anhörung zum Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten deutlich wurde, ist nur ein Bruchteil der Gerichtssäle in Deutschland überhaupt digitalisiert und videokonferenzfähig (siehe BDÜ-Pressemitteilung). Als Voraussetzung für rechtssichere Strafprozesse dürfte dies kaum ausreichen.

Ironischerweise war auch die hybride Anhörungssitzung zur weiteren Digitalisierung der Justiz selbst von massiven technischen Schwierigkeiten wie Aussetzern bei Ton und Bild geprägt.

BDÜ verweist auf zu berücksichtigende Besonderheiten bei mehrsprachigen Gerichtsverfahren

Umso bedenklicher, dass im Gesetz weiterhin die spezielle, für mehrsprachige Verfahren erforderliche Dolmetschtechnik und Übertragungsqualität noch gar nicht berücksichtigt ist. Auf diese wies der BDÜ auch in seiner zur vorgestrigen Anhörung eingereichten Stellungnahme zum Regierungsentwurf hin. Darin unterstreicht der Verband erneut die mehrfach angemahnten Voraussetzungen, die beim Ferndolmetschen erfüllt sein müssen. Hier steht der Gesetzgeber in der Verantwortung, dass durch Einhaltung der einschlägigen Normen sowie Implementierung entsprechender Arbeitsbedingungen sowohl die Qualität der Dolmetschleistungen als auch der Arbeitsschutz der Dolmetscher sichergestellt und damit rechtssichere Verfahren und die Erhaltung der Hörgesundheit gewährleistet werden.

Wie die meisten der zur Anhörung geladenen Sachverständigen begrüßt der BDÜ hingegen die Punkte im Gesetzentwurf, die vor allem im Sinne des Bürokratieabbaus die Digitalisierung in der Justiz vorantreiben sollen. In seiner Stellungnahme fordert er allerdings erneut einige Präzisierungen im Hinblick auf die von ihm vertretene Berufsgruppe:

So sollte beispielsweise im Rahmen der elektronischen Aktenführung (eAkte) nicht nur eine qualifizierte elektronische Signatur (qeS) zur eindeutigen Identifizierung von beteiligten Übersetzern verpflichtend werden. Damit würde der Zielsetzung des Gesetzes entsprechend die Digitalisierung bei der Aktenführung auf einen zeitgemäßen Stand gebracht, die Auftragsabwicklung für Selbstständige vereinfacht und zudem nachgewiesen, dass die Übersetzung durch dafür qualifizierte Berufsangehörige erfolgt. Auch die verpflichtende Einbeziehung in den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) mit der Einführung eines berufsbezogenen elektronischen Postfachs für Übersetzer und Dolmetscher – wie es sie z. B. für Anwälte oder Notare bereits gibt und im Entwurf auch für Steuerberater vorgesehen sind (siehe Art. 43) – sollte explizit in das Gesetz aufgenommen werden. Über die derzeitige Notlösung des sogenannten „Dolmetscher-eBO“ lässt sich zwar die Berufsträgerschaft ausweisen, dessen Verwendung ist bisher jedoch fakultativ und in der Umsetzung durch die dafür zuständigen Bundesländer auf sehr unterschiedlichem Stand. Die Aufnahme ins Gesetz – analog zu dem o. g. „besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach“ – würde die Auftragsabwicklung deutlich vereinfachen und nicht zuletzt der Bedeutung von Übersetzern und Dolmetschern für die Verfahren gerecht, indem sie den anderen beteiligten einschlägigen Berufsgruppen gleichgestellt wären.

Weiterführende Informationen:

Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags (15.05.2024)

Download Gesetzentwurf (BT-Drs. 20/10943, 08.04.2024)

Download Stellungnahme BDÜ zum Regierungsentwurf (14.05.2024)

Weitere Informationen des BMJ zum Gesetzesvorhaben


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