Politische Interessenvertretung:

Warum braucht der BDÜ eine politische Geschäftsführung, Elvira Iannone?

Bild: Eva Häberle

Globalisierung, Digitalisierung und nicht zuletzt Migration und internationale Mobilität haben Themen wie Sprache, Kommunikation und Mehrsprachigkeit zunehmend in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. In der Politik werden sie jedoch häufig nicht in ihrer gesamten Relevanz gesehen oder berücksichtigt. Elvira Iannone erläutert, wo und wie sie als politische Geschäftsführerin des BDÜ daran etwas ändern will.

Interessenvertretung gegenüber der Politik gehört – wie für alle Berufsverbände – seit Anbeginn der BDÜ-Verbandsgeschichte zu den zentralen Anliegen des Verbands. Bereits seit mehr als einem Jahrzehnt konnte der BDÜ durch den früheren Vizepräsidenten Public Affairs Ralf Lemster und Unterstützung durch einen externen Politikberater den Fokus auf diese politische Arbeit wieder deutlich verstärken. Im vergangenen Jahr hat der BDÜ nun seine politische Interessenvertretung auf die nächste Stufe der Professionalisierung gehoben und die Stelle für eine hauptamtliche politische Geschäftsführung geschaffen. Seit Mai 2023 ist Elvira Iannone nun in dieser Funktion im so genannten „politischen Berlin“ unterwegs.


Sprachmittlung muss von Anfang an mitgedacht werden

Die Aufgabenbereiche, die sie derzeit bearbeitet, sind denkbar breit verteilt – von der Justiz über das Gesundheitswesen bis hin zu Fragen der Berufsausübung, insbesondere in Form von Selbstständigkeit. „De facto bin ich mit Vertretern aus fast allen politischen Ressorts im Gespräch“, sagt Elvira Iannone. „Denn tatsächlich haben die meisten ‚unserer‘ Themen derzeit einen direkten Bezug zu vielen Aktivitäten auf Gesetzgebungsebene – auch wenn das auf den ersten Blick oft gar nicht so deutlich ist.“


Justiz als eines der großen Handlungsfelder

Ein Schwerpunkt liegt beispielsweise gerade auf der Digitalisierung der Justiz. Hier wird eine ganze Reihe von Gesetzen angepackt, bei denen es indirekt auch um Aspekte der Sprachmittlung geht – etwa bei Verhandlungen per Videokonferenz oder elektronischen Akten und deren Übermittlung. „Bei so gut wie allen Entwürfen im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren, die wir bisher für eine Stellungnahme geprüft haben, wurde der Aspekt der Mehrsprachigkeit der Gesellschaft und der damit verbundenen Notwendigkeit zur Bereitstellung von Sprachmittlung nicht behandelt“, so ihr erschreckendes Resümee.

"Die Herausforderung liegt unter anderem auch darin, dass die Zuständigkeiten für die einzelnen Aspekte zum Teil auf Bundes-, zum Teil aber auch auf Länderebene liegen", erläutert Iannone. "Ein anschauliches Beispiel dafür ist das Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG), das seit 2023 in Kraft ist, derzeit von den Bundesländern umgesetzt wird und sich somit die Justizministerien der Bundesländer damit befassen. Daneben kommt jedoch auch ein zweites Ressort – meist Kultus – für die Staatlichen Prüfungen und die Staatliche Anerkennungen vergleichbarer Qualifikationsnachweise ins Spiel. In Konstellationen wie diesen gehört im Hinblick auf eine abgestimmte Vorgehensweise natürlich auch die Unterstützung der – ehrenamtlich tätigen – Kolleginnen und Kollegen vor Ort in den Landesverbänden zu meinen Aufgaben."


Zittern um Kostenübernahme für das Dolmetschen im Gesundheitswesen

Ein Meilenstein für den Verband war 2021 die Aufnahme der Sprachmittlung in den Koalitionsvertrag der Ampelregierung im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen nach SGB V (Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung). Damit wurde der Weg geebnet, einen Rechtsanspruch auf Dolmetschen endlich auch im Gesundheitswesen gesetzlich zu verankern. „Das war ein Riesenerfolg, aber tatsächlich nur der erste Schritt“, betont die politische Geschäftsführerin.

„Jetzt geht es darum, dass sinnvolle Rahmenbedingungen geschaffen werden – am besten so, wie es bereits für das Gebärdensprachdolmetschen der Fall ist. Allerdings bereitet uns hier gerade die Zeitschiene große Bauchschmerzen: Um ein Gesetz noch in dieser Legislatur auf den Weg zu bringen, müsste eigentlich bereits jetzt ein entsprechender Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums vorliegen. Es steht zu befürchten, dass das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag schlichtweg hinten runterfällt."


Hartnäckigkeit und Überzeugungskraft gefordert

Die zentrale Funktion der politischen Geschäftsführerin ist es, die Stimme des BDÜ in der Bundespolitik zu sein und die Anliegen der rund 7.500 Mitglieder gegenüber Bundestagsabgeordneten, Bundesministerien und anderen Entscheidungsträgern bekannt zu machen und zu vertreten. „Letztlich geht es zunächst einmal darum, dass unsere Themen und Positionen von den relevanten Stellen überhaupt gehört bzw. gesehen werden“, so Iannone. Dabei sei Hartnäckigkeit gefragt, denn als kleiner Verband müsse man sich im Wettbewerb mit den großen Lobbyverbänden behaupten.

Der größte Teil ihrer Arbeit besteht aus dem direkten Austausch mit Abgeordneten, deren Mitarbeitern und sonstigen Interessenvertretern. „Gespräche sind das A und O. Es geht zunächst darum, Positionen auszutauschen und unsere Themen – auch und gerade in ihrer Komplexität –sichtbar und nachvollziehbar zu machen. Bis sich allerdings bei der ersten Kontaktaufnahme ein Termin im Kalender des Gesprächspartners findet, kann es schon mal dauern, und kurzfristige Verschiebungen sind häufig. Politische Lobbyarbeit braucht Zeit und Flexibilität.“

Nicht zuletzt nutzt die politische Geschäftsführerin auch jede Gelegenheit, bei Veranstaltungen von Parteien und parteinahen Vereinen oder anderer Verbände, um direkt mit Politikern und anderen Interessenvertretern ins Gespräch zu kommen. „Letztlich geht es darum, bei so vielen Leuten wie möglich den Namen BDÜ auf den Schirm zu bringen und Verbündete zu finden“, sagt Iannone. Das erfordere neben der Hartnäckigkeit insbesondere auch Überzeugungskraft: „Viele wissen nur wenig über die Arbeit von Dolmetschern und Übersetzern – wir sind im Vergleich zu anderen ein Nischenberuf. Erst wenn ein konkreter Bedarf besteht, wird man sich dessen bewusst.“


Fachkompetenz öffnet Türen

Im Gegensatz zu vielen anderen Interessensvertretern auf dem politischen Parkett bringt Elvira Iannone hier einen entscheidenden strategischen Vorteil mit. Sie kennt den Dolmetsch- und Übersetzerberuf aus erster Hand, da sie selbst ausgebildete Konferenzdolmetscherin ist und neben entsprechender langer Berufstätigkeit auch auf 7 Jahre an der Universität und 11 Jahre in Projekten zurückblicken kann. „Manche Gesprächspartner fragen tatsächlich nach meinen Sprachen und Fachgebieten – teils aus Interesse, aber teils auch als Test, ob ich wirklich weiß, wovon ich rede.“

In die politische Interessenvertretung hat sie sich im letzten Jahr mit Unterstützung des langjährigen externen Politikberaters des BDÜ Dr. Hubert Koch intensiv eingearbeitet. „Das war tatsächlich ein Marathon im Sprinttempo“, blickt sie zurück. „Aber als Dolmetscherin bin ich es gewohnt, mich in kurzer Zeit tief in neue Themen einzuarbeiten. Dennoch ist die Lernkurve nach wie vor steil.“

Zudem sei sie sehr froh über ihre tiefe Kenntnis der Verbandsstrukturen, so Iannone, die vor Aufnahme ihrer Tätigkeit mehrere Jahre dem ehrenamtlichen Bunddesvorstand des BDÜ angehörte, denn: „ Situationen, bei denen die Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt im Verband einfach anspruchsvoll und herausfordernd ist, sind Standard.“ Umso mehr Wertschätzung bringt die politische Geschäftsführerin den ehrenamtlichen Kräften im BDÜ entgegen: „Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen, die mich als Bundesreferentinnen und -referenten mit ihrem fachlichen Input unterstützen. Ohne ihre qualifizierte und engagierte Zuarbeit könnte ich nur einen Bruchteil dessen stemmen, was derzeit an Arbeit vor uns liegt.“

 

Text: Peter Oehmen, Brigitte Eichner

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